Jahrestagung der Deutschen Schleppjagdvereinigung (DSJV)
29. bis 31. März 2019 beim Brandenburger Hunting Club in Köthen/ Schlepzig in Brandenburg
Auch ohne eigene Hunde
Zum ersten Mal fand die Jahrestagung der Deutschen Schleppjagdvereinigung nicht bei einem Meutehalter statt sondern bei einem Schleppjagdverein. Das Fazit für die Anhänger des Sports in Rot aus ganz Deutschland nach einem intensiven Wochenende im Unteren Spreewald: Es geht auch ohne eigene Hunde – wenn so viel Begeisterung für gutes Jagdreiten freigesetzt wird wie beim Brandenburger Hunting Club.
Es ist eine ganz besondere Konstellation im Gestüt am Pichersee in Köthen/Groß Wasserburg. Dort sind Schleppjagd und Eventing eng verzahnt. Geländereiter sollen vielseitig werden und Eventer die Schleppjagd entdecken. Für neun Jagden pro Jahr werden verschiedene Meuten eingeladen, und hochkarätige Ausbilder gestalten Lehrgänge in Dressur, Springen, Gelände und Rittigkeit. Der prominenteste Trainer ist Uwe Plank, der die DDR bei zwei Olympischen Spielen, in Mexiko und München, vertreten hat. Gleich hinter ihm kommt Harald Fechner, mehrfacher Brandenburger Landesmeister in der Vielseitigkeit. Uwe Plank führt die Reitanlage des Gestüts, das seit fünfzehn Jahren vier Ehepaaren gehört, die alle verwandt oder verschwägert sind. Als Großfamilie Hoffmann-Bröcker-Braun-Duft mit neun Erwachsenen und ebenso vielen Kindern sind sie der Kern des BHC mit einhundert Mitgliedern. Im 2018 stemmte dieses Team unter anderem ein Vielseitigkeitsturnier mit 380 Starts auf der sehenswerten neuen Geländestrecke um eine Orchideenwiese im Biosphärenreservat.
Dass Wenige mit Engagement und Initiative Vieles und Nachhaltiges auf die Beine stellen können, das erlebten auch die Tagungsgäste der DSJV. Clubmaster Andreas Hoffmann und der BHC-Präsident Dr. Ulrich Schroeder hatten mit ihrem Team ein vielseitiges Programm entwickelt, das eindrücklich Nachwuchsförderung und Jugendarbeit als Alleinstellungsmerkmal des Hunting Clubs zeigte. Bei einem Gruppengeländeritt demonstrierten junge Reiter vorbildlich kontrolliertes Reiten mit Tetenwechsel und paarweisem Springen in vorgegebenem Tempo. Dr. Kajo Busch, S-Dressur-Reiter und Trainer, präsentierte die Rittigkeits-Vorführung, die turniermäßig ablief – inklusive Parcoursskizzen und Sprechfunk-Regie.
Für die Meutevorführung war Thorsten Mönchmeyer mit der Böhmer Harrier Meute aus Niedersachsen eingeladen. Sein Vater Hinrich hat für den Brandenburger Hunting Club lange die „Brandenburger Bracken“ geführt. Jetzt bedient der Sohn mit seinen Harrier-Hunden viele BHC-Termine. Junge BHC-Reiter verstärkten die Böhmer Equipage.
Wie aus einer Bilderstrecke in „Country Life“ präsentiert sich das Gestüt um das Haus des letzten DDR-Außenministers Oskar Fischer. Aus dem Bruthaus des vormaligen Entenmast-Betriebs ist ein schmuckes Gästehaus geworden. Das frühere Forsthaus ist ebenso zurückhaltend modernisiert wie die Remise und das Waldhaus. Dort verbringen die Berliner Familien ihre arbeitsfreien Wochenenden mit anstrengenden Hand- und Spanndiensten für die gute Sache des Pferdesports. Im Rahmen einer Talk-Runde präsentierte Nicole Duft Geschichte und Gegenwart des Gestüts. Ihre Gesprächspartner auf dem Podium am See sind Uwe Plank, der BHC-Gründer Bernd Schiel, der nach dem Mauerfall das Gestüt entdeckt und 1991 erworben hat und Dr. Ulrike Bröcker als Geschäftsführerin des Gestüts mit seiner sportlichen Ausrichtung. Plank hat seit 1980 das Gestüt geleitet und verrät Interna aus dem ehemaligen Diplomaten-Reitstall der DDR. „Günter Gaus (der Ständige Vertreter der Bundesrepublik) war ein recht guter Reiter, Bräutigam eher nicht so. Am besten waren die Franzosen.“ Jagdreiten hinter einer Hundemeute passte nicht in die DDR, und nach 60 Jahren ohne Hunde war es ein entsprechend schweres Stück Arbeit für Bernd Schiel und seine Weggefährten, den Nachbarn in Köthen die Schleppjagd und schließlich eine BHC-Meute nahe zu bringen. „Das hat viele Flaschen Sekt und Überzeugungsarbeit gekostet.“ Heute gehören 70 Hektar Eigen- und Pachtland zu dem Gestüt. Über zehn Jahre veranstaltete der BHC Wettbewerbe um einen VS-Cup für junge Reiter und Pferde, um mehr Jagdreiter zu gewinnen. Heute haben die Jagden in Brandenburg wieder einen geschichtsträchtigen Hintergrund, wie die Schlösser in Rheinsberg, Diedersdorf oder Neuhardenberg. Dreimal wurde die „Luisen-Jagd“ am Potsdamer Neuen Palais in Sanssoucis geritten bis die bürokratischen Hindernisse schließlich zu kompliziert wurden.
Völlig unkompliziert ist dagegen die Jugendarbeit Dafür sorgen schon die gut in Berlin vernetzten Kinder der BHC-Familien. Auch nichtreitende Schulfreunde kommen gerne mit nach Köthen, wo man mehr in die Hand nimmt als ein Mobiltelefon zum Daddeln. „Gechillt“ wird erst, wenn das Lagerfeuer brennt und wieder ein neues Hindernis fertig geworden ist.
Sachlich gearbeitet wurde auch bei dem Jagdreitertreffen in Brandenburg. Entspannt nach einer Kahnfahrt durch den Spreewald tagten die Meuteführer zunächst intern bevor im Rahmen der Mitgliederversammlung neue Weichen gestellt wurden. Maria Gillissen nimmt als Beirat im Vorstand den Platz des kürzlich verstorbenen Wilfried Ebel ein und wird das Zuchtbuch der DSJV zentralisieren und digitalisieren. Das gemeinsame Zuchtbuch der DSJV-Meuten ist Voraussetzung für eine assoziierte Mitgliedschaft in den beiden für die Schleppjagd wichtigen Dachverbänden, VDH und JGHV, die jetzt nach jahrelanger Vorarbeit zugesichert worden ist.
Die Bedeutung einer Zugehörigkeit zu übergeordneten Organisationen unterstrich der Leiter des FN-Hauptstadtbüros, Bernhard Feßler. Aus seiner Erfahrung als Netzwerker betonte er: „Einzelmeinungen sind Einzelschicksale“, und er warnte besonders vor Skandalisierung durch die sogenannten Sozialen Medien. „Wir sind die analoge Antwort in einer digitalen Welt.“
Petra Schlemm
Zu den BILDERN
852 Die Böhmer Harrier nach der Schauschleppe vor vielen fachkundigen Zuschauern.
927 Talkrunde am Pichersee mit Olympiareiter Uwe Plank und dem BHC-Gründer Bernd Schiel.
4941 Usedomer Jagdhornbläser unter Leitung von Daniela Heuer. Fotos: Schlemm