3. CHEM-Seminar im Landgestüt Dillenburg

Von der Teilnehmerin Christina Barofke

Noch schnell in den Stall – Montag morgens um fünf. Wenigstens füttern – wird schon alles gut gehen diese Woche. Arbeitslisten sind gemacht, ein letzter Blick in die Ställe, den 60 neugierigen Blicken erklärt, dass man erst Freitag Nacht wieder da ist. Keinen Unfug, machen bitte!

Und dann auf ins Auto – 450 km von Leipzig bis ins hessische Landgestüt Dillenburg – ach nur noch hessische Landesreitschule jetzt. In meine alte Heimat, schließlich bin ich in Marburg geboren. Ist schon eine halbe Ewigkeit her. Bis 12 Uhr muss ich da sein. Alles läuft nach Plan, auf die Minute (fast) 12:02 Uhr parke ich ein.

 

Dillenburg, ohne die Hengste ist schon etwas leer. Aber dann treffe ich meine Kolleginnen samt Quotenmann (sorry Patrick!), einige kenne ich schon von den letzten Fortbildungen z.B. in Schloss Gevlinghausen oder Langenfeld im Rheinland. Auch Jenny Ple, langjährig zuständig für die Ausbildung von Reiter und Pferd in Dillenburg, kenne ich noch vom Gesundheitssport-Lehrgang. Auch das ist schon über 10 Jahre her. Alle Teilnehmer sind gestandene Frauen (und Mann) überwiegend selber Betriebe leitend mit einer Menge Erfahrung im Gepäck. Den Unterschied bemerken auch die Mitarbeiter der Landesreitschule: Selten sei bei der morgendlichen Stallarbeit die Arbeit so fix und proper gemacht wie bei uns. Tja – wer will sich schon mit Stallarbeit aufhalten, wenn doch die beiden Schwergewichte Christine Heipertz-Hengst und Eckart Meyners auf uns warten. „Bewegungsberater Prävention durch  Reiten“ wollen wir am Ende nach bestandener Prüfung am Freitag sein. Ich finde die Idee, auf den „FN Ausbilder im Gesundheitssport mit Pferden“ / DOSB Übungsleiter Sport in der Prävention /Reiten diese Zusatzqualifikation aufzusatteln prima. Gesundheitssport mit Pferd (GSP) konzipiert für Nichtreiter, Einsteiger jeden Alters, Wiedereinsteiger und  Freizeitreiter – analog dem Bewegungstrainer EM der Berufsreiter, vom Leistungssport kommend, das passt. Denn im Breitensport begegnen wir Trainer anderen Motivationen als im Tuniersport: Etwas für die Gesundheit tun in der Natur gemeinsam mit diesem geliebten  Lebewesen Pferd, Entspannung erfahren, abschalten vom Alltagsstress , Wohlbefinden und Belastbarkeit steigern… Für eine derart vielseitige Ausbildung brauchen wir immer wieder neue Anregungen. Und wer die FN-Trainerlaufbahn durchlaufen hat weiß, dass dabei immer noch viel zu wenig  auf die Trainingswissenschaften, die Anatomie und die Bedeutung der Fitness des Reiters geachtet wird. Der Fokus liegt nach wie vor auf dem Pferd und dem Turniersport. Dies wird aber den heutigen Marktanforderungen nicht gerecht. Das sage ich auch als Ausbilderin von Pferdewirten Zucht und Haltung. Mindestens 95% der Reiter sind keine Turnierreiter –  von denen sollte man zumindest eine gewisse reiterliche Fitness erwarten können.  Generell ist das Aufwärmen vor der Reitstunde meist noch immer nur auf die Pferde bezogen ist. Aber dafür haben wir ja schon GSP gemacht und sind jetzt in Dillenburg. Wir wissen, dass die Fitness auch der Reiter meist im argen liegt. Auch uns Teilnehmer drücken schon altersbedingt manche  Wehwehchen, Blockaden, Arthrosen uvm. Voll motiviert und erwartungsvoll beginnen wir mit dem Kurs. Unterlagen zum Durcharbeiten gab es im Vorfeld, nun geht es in Riesenschritten an die Inhalte der Bewegungslehre. Dabei geht es immer wieder um Beweglichkeit, Koordination, von der Außensicht zur Innensicht und den ganzheitlichen Strukturbegriff. Christine und Eckart bringen unser Gehirn erst einmal tüchtig auf Trab, erste Übungen inklusive, bevor es dann  in der Reithalle zum ersten Praxisteil geht. Die Theorie muss bei der Analyse, der „Ausgangsbefunderhebung“ angewandt werden. Wir sind gegenseitig unsere eigenen Schüler, an denen wir unser Auge schulen und   Bewegungsübungsempfehlungen erarbeiten.

Gute Grundform, aber feste Struktur, viel Routine, so der erste Befund. Also ein Klassiker bei routinierten Reitern. Übungen für Becken und Nacken, Lockerung des ISG werden diskutiert und ausprobiert. Wichtig dabei: keine Monotonie, sondern  Varianten. Und immer wieder: keine Anweisungen, der Reiter soll fühlen lernen, seinen eigenen Körper in Körperwahrnehmung und Bewegungsgefühl kennenlernen und schulen.

 

Da wir alle erfahrene Reiter mit in jungen Jahren oft auch Turniererfahrung sind, klappen die Übungen prima. Für uns als Ausbilder sind wir dankbare Schüler, haben wir doch alle schon selber viel theoretisches Know-how über die Abläufe im Körper und meist auch ein gutes Körpergefühl. Das macht das Erklären natürlich einfacher. Auch beim Feedback der Probanden kommen meist klare Antworten: deutliche Verbesserung im Energiefluss durch den Körper dadurch bedingt sofort fühlbar (und für uns sichtbar) ruhigere Schenkel und Hände. Da lacht das Trainerherz, besser kann es nicht gehen.

 

Wünschenswert wäre schon während der  Lehrgangstage mit der Klientel Reitanfänger, Wiedereinsteiger und Späteinsteiger arbeiten zu können.  Diese haben oft schon in jungen Jahren wenig Körperwahrnehmung und Bewegungsgefühl; theoretisches Wissen und Praxis  im Bereich Bewegungstraining  fehlt hier meist völlig. Da müssen wir oft bei Adam und Eva anfangen … also mit Longenstunden oder auf geführten Pferden, Beweglichkeit und Körpergefühl zuerst mit Funktionsgymnastik ohne Pferd entwickeln, viele theoretische Exkurse und auch leider mit mehr Anweisungen, um in Angstsituationen zu begleiten, oder um die Phasen von falsch ausgeführten Übungen zu unterbrechen. Hier wäre in den nächsten Kursen eine Erweiterung mit Anleitungen für diese Gruppen sicherlich sinnvoll.

 

Die Woche verging wie im Flug. Morgens zu Beginn intensive Theorie mit anschließenden Praxisstunden in dem wunderschönen alten Reithaus in Dillenburg. Abends wurden dann weiter Erfahrungen ausgetauscht und Konzepte erarbeitet. Der Freitag war schnell heran und die Prüfung begann. In drei Gruppen hatten wir jeweils fremde Reitschüler zu betreuen und es war „das richtige Leben“: im Ausgangsgespräch berichteten alle von diversen Einschränkungen oder Defiziten und es galt diese im Reitunterricht in der Koppelung mit gezielten Bewegungsübungen zu berücksichtigen und zu verbessern. In der Reflexion gaben alle Reitschüler positive Rückmeldungen, die Ausbilder und Prüfer ergänzten mit Ihren Kommentaren. Auch alte Hasen sind im Examen doch  etwas nervös, sodass wir erleichtert waren, als alle bestanden hatten.

 

Unser Dank gilt Eckart und Christine, Jenny und ihrem Team und nicht zu vergessen Eckart‘s Frau Christiane, die uns die ganze Woche bei Allem auch mental tatkräftig unterstützte und zusätzliche Balimo-Anleitungen bot. Ein Kurs mit viel Wissens- und Erfahrungszuwachs, mit tollen Menschen und in wunderschönem Ambiente. Dillenburg war in allen Belangen die Reise wert. Danke dafür.

 

www.gesundheitssport-mit-pferden.de